Ein Tollpatsch zu Weihnachten
Ein Tollpatsch zu Weihnachten
Autor: froheweihnachten.info
Josephine läuft eilig durch den Schnee. Sie hatte versprochen pünktlich zu sein und nun war sie schon zehn Minuten zu spät. Die Fahrt aus Leipzig hat länger gedauert als sie gehofft hatte. Vor der Tür ihres Elternhauses erkennt sie ihren Freund. Sven steht dort zitternd, die Arme um seinen Körper geschlungen, von einem Fuß auf den anderen tretend.
"Es tut mir so leid!", ruft Josephine gegen den kalten Wind. Sven dreht sich zu ihr um und sein Gesicht hellt sich auf. Sie hat ihn fast erreicht, als ihre Füße über eine vereiste Stelle rutschen und sie aus dem Gleichgewicht gerät. Sven reagiert sofort und fängt sie auf. Josephine lächelt ihn entschuldigend an und streicht sich verlegen eine Strähne aus dem Gesicht, sagt aber kein Wort. Svens Lippen verziehen sich zu einem Lächeln und er rollt mit den Augen. "Das war ja klar, du Tollpatsch", sagt er liebevoll, bevor er sie wieder auf die Füße stellt.
"Warum hast du nicht geklingelt?", will Josephine von ihrem eigenen Missgeschick ablenken. Sven weicht ihrem Blick aus und Josephine glaubt mehr den Wind als tatsächliche Worte zu hören. "Ich hatte Angst, mich alleine deinen Eltern zu stellen."
Jetzt war es an Josephine zu schmunzeln. Sie hatten beschlossen, dass Heiligabend der perfekte Tag wäre, um Sven ihren Eltern vorzustellen. Doch Sven hatte sich die ganze Zeit Gedanken darum gemacht, da er zwölf Jahre älter war als Josephine. Doch sie hatte das nie gestört.
Josephine schließt die Tür auf und der Geruch von Tanne, Kerzenwachs und gekochten Würstchen umweht sie. Zuerst kommt ihr Hund ihr entgegen und begrüßt sie stürmisch, dann folgen ihre Mutter, ihr Vater und ihr Bruder. Sven bemerken sie erst gar nicht, bis Josephine sich zu ihm umdreht.
"Und wer ist das?"
Sven räuspert sich. "Hallo. Ich heiße Sven. Freut mich Sie kennenzulernen. Ich..."
"Er ist mein Freund", unterbricht Josephine die unsichere Vorstellung. "Ich habe euch schon häufig von ihm erzählt und wir dachten, Weihnachten ist genau die richtige Zeit euch kennenzulernen."
"Meinst du, nur weil Weihnachten ist, kann ich ihn besser leiden", knurrt Josephines Vater mit verschränkten Armen. "Er scheint ein ganzes Stück älter zu sein als du. Wer weiß, was der will."
Im Augenwinkel sieht Josephine wie Sven die Farbe aus dem Gesicht weicht.
Sie nimmt seine Hand, um ihn zu beruhigen. "Er will mich, weil er mich liebt. Und ich ihn. Lernt euch erstmal kennen." Mit diesen Worten lässt Josephine die beiden stehen und begleitet ihre Mutter ins Wohnzimmer.
"Der Baum ist ja noch gar nicht fertig", stellt Josephine mit Erstaunen fest.
"Natürlich nicht, wir wollten das nicht ganz ohne dich machen."
"Oh ja, ich mache das!", ruft Josephine vergnügt und schnappt sich einen Stuhl und platziert ihn vor dem Weihnachtsbaum. Vorsichtig nimmt sie die Spitze aus der Verpackung und klettert auf den Stuhl. Er reicht nicht. Noch näher kann sie ihn nicht heranschieben, also stellt sie sich auf Zehenspitzen an die Kante. Sie hat die Spitze fast platziert, da kippt der Stuhl. Josephine erschreckt sich und stößt einen kurzen Schrei aus. Sie schließt die Augen und wartet auf den harten Aufprall. Doch er kommt nicht.
Als sie die Augen öffnet, steht ihr Vater rechts und Sven links von ihr, beide halten sie fest. Sie lächelt entschuldigend. Wie sie es immer tut in so einem Moment.
"Ich habe die Spitze gerettet", sagt sie stolz.
"Mein süßer, kleiner Tollpatsch", kommt es aus den Mündern der Beiden gleichzeitig. So überrascht wie Josephine sind auch sie selbst. Sie sehen sich einen Moment stillschweigend an. Nachdem ihr Vater ihr auf die Beine geholfen hat, streckt er sich und reicht Sven die Hand.
"Ich glaube, du bist ganz gut für meine Tochter. Ich bin Michael. Möchtest du mit uns ein kleines, bescheidenes Weihnachtsfest feiern? Und für dein persönliches Wohlergehen auch noch die nächsten fünf oder zehn?"
Sven lacht und ergreift Michaels Hand. "Sven. Freut mich Michael und... ich könnte mir gerade nichts Besseres vorstellen."
Sie lächeln. Sven nimmt Josephine die Spitze ab und platziert sie auf dem Baum. Josephines Mutter ruft alle zu Tisch. Sven sieht seine Freundin an, zieht sie zu sich und küsst sie liebevoll. "Fröhliche Weihnachten mein Engel."
"Fröhliche Weihnachten Liebling."
Gemeinsam begeben sie sich in die Küche, an den gedeckten Tisch. Sven versucht verzweifelt etwas Senf aus der Tube zu bekommen.
"Lass mich mal", nimmt Josephine ihm die Flasche aus der Hand. Sie schlägt sie kräftig nach unten und möchte ihm etwas Senf auf den Teller machen, doch der Druck auf die Flasche ist zu groß und der ganze Senf landet auf Svens Hemd, nur ein kleiner Klecks hat es auf den Teller geschafft. Michael versteckt sein Lachen hinter seiner Hand, Josephine hingegen tut es furchtbar leid und sie läuft sofort zum Spülbecken. Mit einem tropfnassen Lappen bewaffnet, kommt sie zurück. So konzentriert darauf ihren Fehler wiedergutzumachen, übersieht sie den Hund und stolpert. Der nasse Lappen fliegt im Bogen direkt auf den Teller ihres Vaters. Senf und Kartoffelsalat zieren jetzt den Tisch, sein Hemd und sein Gesicht. Sven gibt sich gar nicht erst die Mühe sein Lachen zu verstecken. Josephine wollte sich gerade eine Kuhle zum Versinken graben, als ihre Mutter den Vorschlag macht, dass die beiden Männer sich erst einmal umziehen, während sie aufräumt. Sie schickt Josephine ins Wohnzimmer, damit sie den Weihnachtsbaum zu Ende schmückt.
Sie nimmt sich die unzähligen Kisten mit Weihnachtsschmuck vor. In einer entdeckt sie ein Kissen, dass die Kugeln schützen soll. Munter wirft sie es in die Luft und fängt es wieder auf. Das alte Kissen hatte jedoch einen Riss, den Josephine wohl übersehen hatte. Prompt flogen unzählige Daunenfeder durch die Luft, landeten auf dem Baum, auf dem Boden und vor allem auf ihr. Der Glitzer, der eigentlich die Kugeln zieren sollte, funkelt nun in ihrem Haar, auf ihrem Gesicht und ihren Sachen.
"Ach man!"
Von ihrem Ausruf angelockt, versammeln sich alle nach und nach an der Wohnzimmertür. Sie sehen Josephine federbedeckt auf dem Boden sitzen.
"Oh, die Flügel unseres kleinen Weihnachtsengels sind wohl explodiert", macht Sven sich über seine Freundin lustig und Josephines Eltern steigen in das Lachen mit ein.
Schmollend hockt Josephine auf dem Boden, die Arme verschränkt.
Sven geht zu ihr und hält ihr die Hand hin. Schmunzelnd wischt er ihr ein wenig Glitzer aus dem Gesicht und zupft Federn aus ihrem Haar.
"Und was machen wir nun?", fragt er an ihre Eltern gewandt.
Michael zuckt mit den Schultern. "Na, was schon? Erst essen wir und dann machen wir Bescherung im Glitzerland. Unser Tollpatsch wird sich nie ändern. So ist es nun einmal bei uns."
Josephines Wangen färben sich knallrot und sie sieht zu Boden. Sven legt ihr einen Finger unter das Kinn. "Ich liebe dich mit und ohne Federn und Glitzer. Ich könnte mir kein besseres Weihnachtsfest vorstellen."
Lächelnd gehen sie zurück in die Küche, um funkelnde Weihnachten zu feiern.